Leseprobe Kurzgeschriebenes Band 2

Auszug aus der Kurzgeschichte Das Paket, Genre: Humor.

… Gleich nach dem Aufstehen am Morgen gucke ich die Mails durch. Gesetzt den Fall, dass ich ein oder mehr Teile bestellt habe. Es kommt immer eine Benachrichtigung, sofern das Paket zugestellt wird. Bin somit im Bilde, wenn etwas ankommt. Der Schlaf in der Nacht vorher ist kaum erwähnenswert. Da steigt in mir dann so ein Gefühl auf, was ich aus meiner Kindheit kenne: Der erste Schultag nach den Sommerferien, insbesondere nachtsüber. Einschlafprobleme, flauer Magen, Bauchkribbeln, Nervosität, zappelig sein und dringend aufs Klo, ein großes Geschäft erledigen. Und genau dann, wenn das exorbitante Entleerungsritual erfolgreich in den Verhandlungen steckt und der aufziehende Geruch alles beschleunigt, klingelt es an der Tür. Ich denke nur: Kacke!
Im Eiltempo den Hintern notdürftig abgewischt, ein paar Blättchen Klopapier zwischen die Backen geklemmt und die Hose hochziehend eile ich zur Wohnungstür, drücke den Summer und lausche in das Treppenhaus hinein. Da gibt es dann zwei Szenarien, die ich immer wieder erlebe.

Das erste Szenario
Es klingelt an der Tür, währenddessen ich, wie eben beschrieben, den menschlichen Notdürften nachkomme. Am Einlass angekommen öffne ich diesen einen Spalt und es kommt ein Mann mit Klemmbrett die Treppen hoch. Allein das bringt mein Blut schon zum Kochen. Nachdem er dann grinsend vor mir steht und der Zugang von mir ein kleines Stückchen weiter geöffnet wird, gebe ich ihm damit den Startschuss, seinen Text aufzusagen. Und der freut sich über diese Tatsache wie ein Kind, das zu Weihnachten sein Gedicht fehlerfrei aufgesagt hat. Bereitwillig lasse ich ihn ausreden, bin ja höflich erzogen worden. Sobald er nach längerem Warten meinerseits fertig ist, sage ich ihm kurz und knapp: kein Interesse. Darüber hinaus schließt sich meine Wohnungstür wieder. Im Treppenhaus höre ich nachfolgend und mit großem Erstaunen, dass der vermeintlich nett wirkende Mann dann doch einen ausgesprochen, sagen wir, umfangreichen Sprachschatz vorzuweisen vermag und Bezeichnungen kennt, die sogar mir neu sind. Zum Beispiel das Wort (Achtung: vulgärer Ausdruck) Pimmelbratze. Das kannte ich bis dato nicht.
Das gibt es in die Hörmuschel, für den Fall, dass man nicht den Telefonanbieter an der Wohnungstür zu wechseln anstrebt. Das Leben ist halt bewundernswert. Wenn man daraufhin mit einem lauten »danke vielmals« durch die geschlossene Tür antwortet, kommt der freundliche Herr dann in Bewegung und versucht sein Glück woanders …

By Tino Dietrich

Tino Dietrich, geboren 1976 in Norddeutschland, absolvierte ein Literaturstudium in Hamburg. Er hat viele Jahre als Inhaber von erfolgreichen Betrieben in der freien Wirtschaft gearbeitet. Seit 2012 arbeitet er als freiberuflicher Schriftsteller, zertifizierter Texter im Online-Marketing für diverse Agenturen sowie erfolgreich als Romanautor und Ghostwriter. Tino Dietrich bildet sich fortan weiter und ist begeistert vom Selfpublishing. 2014 wurde u. a. seine Kurzgeschichte „Im letzten Winter“ bei einem Schreibwettbewerb prämiert. Mit seinem Romandebüt „Mila und Paul – Sonne im Norden“ fand der Autor aus dem Norden seinen Platz in einer stetig wachsenden Lesergemeinschaft.

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