Leseprobe Mila und Paul – Sonne im Osten
von Tino Dietrich.
Ein Auszug aus meinem Roman Mila und Paul – Sonne im Osten, dem 3. Band der Buchreihe.
Kapitel 1
Ich hatte mir die Freude meiner Familie über die frische Verlobung mit Mila ganz anders vorgestellt, als wir es bekannt gemacht hatten. Gerade mal eine Handvoll meiner engsten Verwandten zeigten offen ihre Freude darüber. Die anderen machten keinen Hehl daraus, dass sie von der kollektiven Zukunftsplanung nichts hielten. Genauso wenig wurde es befürwortet, dass wir uns eine gemeinsame Wohnung suchen wollten. Woher sollte ich denn wissen, dass es uns sogar meine Eltern ohne Rücksichtnahme ins Gesicht sagen würden? Zwar durch die Blume gesprochen, mehr oder weniger, dennoch ablehnend und verständnislos. Und die Unterstellung einer Schwangerschaft, wo meine Mutter bereits einen Geburtstermin für uns errechnet hatte, ließ die Enttäuschung in mir noch stärker anwachsen. In solchen Momenten wünschte ich mir, ich würde weit weg von all diesem negativen Ballast wohnen. Aber da würde ich dieser Enttäuschung wahrscheinlich auch nicht entkommen. Spätestens bei einem Telefonat würde ich die Zweifel und Meinungen dazu zu hören bekommen, ob ich es wollte oder nicht.
Die Stimmung ließen wir uns davon trotzdem nicht kaputt machen. Sobald die erniedrigenden Worte innerlich verarbeitet waren, legte sich auch meine aufkeimende Wut darüber. Schließlich war es unsere Zukunft und nicht die der pessimistischen Verwandten. Nur Tim, augenscheinlich auch meine Schwester, und Hugo freuten sich aus meiner Sippe mit und sogar für uns. Von Milas Verwandtschaft bekamen wir nur positive Rückmeldungen. Besonders ihr Bruder samt Familienanhang freute sich darüber.
Meine Eltern sagten mir schon zu Beginn, dass sie nicht zu der Hochzeit kommen wollten. Dies begründeten sie unter anderem mit: »Wir waren ja schon einmal auf einer Heirat von dir. Wir haben uns damals für dich gefreut, aber auf den ganzen Trubel können wir gerne verzichten. Da haben wir nicht noch einmal Lust zu. Da musst du uns verstehen.«
Stimmte ja im Prinzip auch. Damals war es so gewesen. Aber das ist vergangen, gehörte nur noch in meinen Erinnerungen zu mir. Den Termin für die geplante Hochzeit wollten dennoch alle von uns wissen, ob sie dafür waren oder dagegen, die Neugier, also das indirekte Interesse, war außergewöhnlich groß.
Es lag erst ein paar Tage zurück, dass wir aus unserem Familienurlaub mit Tim zurückgekommen waren. Eine Woche Ostsee mit Mila und meinem Sohn war für mich zu einer meiner schönsten Erfahrungen geworden. Und nun in meinen Erinnerungen.
Als wir wieder zurück in Hamburg waren, wurde Tim quasi direkt von seiner Mutter abgeholt und ich machte Mila noch am selben Abend unserer Rückkehr einen Heiratsantrag: Unübertrefflich schmucklos!
Sie war mit dem Geschirr spülen beschäftigt und ich kam mit zwei gefüllten Sektgläsern dazu. Ich vollzog einen Kniefall, verlor dabei das Gleichgewicht, kippte fast um und stellte ihr peinlich berührt die Frage aller Fragen. Ich weiß, das hätte ich auch in einer romantischeren Umgebung machen können und auch wesentlich durchdachter, aber ich hatte es nicht mehr ausgehalten. Und außerdem kam Hugo, unser Mitbewohner, bereits am nächsten Tag wieder zu uns. Den hatte ich ja während unseres Urlaubs aus- und bei meinen Eltern einquartiert. Das und meine sich immer stärker werdende innere Anspannung lösten letzten Endes diese Kurzschlusshandlung in mir aus. Im Nachhinein betrachtet hätte ich mir wirklich viel mehr Mühe geben müssen – mit Mila und dem Antrag, nicht mit Hugo. Aber aus der gemeinsamen Perspektive von meiner Zukünftigen und mir betrachtet, war das dennoch etwas ganz Besonderes. Vor allem Mila war es, die trotz meiner Zweifel bezüglich Zeit und Ort meines Antrags total überwältigt gewesen war und Sturzbäche weinte. Vor Glück! Mit einem zarten »ja« willigte sie ein, meine Frau zu werden, was auch mich dazu veranlasste, einen emotionalen Heulkrampf zu unterliegen.
Tim schrieb ich gleich danach eine Kurznachricht mit der beglückenden Botschaft. Schließlich hatte ich zuvor im Urlaub um sein Einverständnis gebeten, welches er mir auch sofort gegeben hatte. Ohne die Zustimmung meines Sohnes hätte ich Mila wahrscheinlich keinen Antrag gemacht. Dafür haben Tim und ich in der Vergangenheit schon zu viel unschöne Dinge erlebt, was gescheiterte Beziehungen mit einem Kind angeht.
Er freute sich als Erster mit uns, wie er sofort zurückgeschrieben hatte. Das, was an den Tagen darauf folgte, deprimierte anfangs nicht nur mich.
Mein Bruder sagte mir voraus, dass ich denselben Fehler immer wieder machen würde. Ich dachte: »Hat der schon wieder einen neuen Guru im Internet gefunden, der Videos mit seinen Weissagungen, Weisheiten und Verschwörungen veröffentlicht, dem er sein blindes Vertrauen schenkt und diese Schwarzmalerei für die einzig mögliche Wahrheit hält?« Dann: »Danke, mein Bruderherz. Deine dubiosen Voraussagen bleiben im Dunkeln und werden niemals das Licht dieser Welt erblicken. Mein Leben ist kein Abenteuerheft eines Fantasie-Spiels, wo man seine Zukunft auswürfeln muss, damit sie gut ausgeht oder zum Misserfolg wird. Jedenfalls glaube ich fest daran, dass es nicht so ist oder jemals dazu kommen wird.«
Trotz der sehr enttäuschenden und niederschmetternden Äußerungen von Teilen meiner genetischen Verwandtschaft hatte ich sie alle noch genau so lieb, wie ich es schon davor tat. Ob es andersherum auch der Fall war … da war ich mir manchmal gar nicht so sicher.
Ende der Leseprobe
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